| Der Amoklauf von Winnenden(14.03.2009)
Ich erinnere mich an eine Begebenheit von vor vielen Jahren. Vor dem Gebäude, in dem ich arbeite, wurde ein Kind von einem Lkw erfasst und auf der Stelle getötet. Zu dem Unfall kam es, als der Junge, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aus dem Schulbus stieg, hinter diesem über die Straße gehen wollte, auf Glatteis ausrutsche, stürzte und dabei unter die Räder eines zufällig vorbeikommenden Lkw geriet, der mit schweren Betonteilen beladen war.
Das war kurz vor Weihnachten und wenn man den toten Jungen in seinem Blut liegen sieht, dann ist das etwas ganz anderes, als wenn man solches in der Zeitung liest oder in den Nachrichten hört. Mir wurde bewusst, wie schnell so etwas passiert und dass der Junge am Morgen nicht die geringste Ahnung davon hatte, dass er an diesem Tag nicht mehr nach Hause kommen würde. Und sicher hatte er sich auch schon
auf das bevorstehende Weihnachtsfest gefreut.
Und so könnte uns das allen gehen!
Alle Fragen, warum das passiert ist und warum es zu einem solch "dummen Zufall" gekommen ist, dass gerade in dem Augenblick der Lkw kam, als der Junge stürzte, lassen sich nicht beantworten. Das ist so ein Vorgang, wo dann Fragen "wie konnte Gott das zulassen", gestellt werden, und ich spürte, dass mich dieser Vorgang für lange Zeit sehr depressiv gemacht hätte, wenn ich keinen Halt im Glauben gehabt hätte.
So fühlte ich mich am Ende doch getröstet und gestärkt, weil ich gewiss war, dass Gott trotz allem gegenwärtig ist, auch wenn er das zugelassen hat und dass er der Einzige ist, an den wir uns auch in solchen Nöten wenden können, und was mir besonders wichtig war, war die Gewissheit, dass das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist, weil unser Leben nicht mit dem biologischen Tod endet.
Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit auch viele Gerichtsakten
gelesen, die mit Fotos, oft farbig, "illustriert" waren, die verletzte und zerlegte Leichen zeigten. Ich kann da sehr gut nachempfinden, dass
Polizeibeamte und Notfallretter hier einiges an psychischen
Belastungen zu tragen haben.
Ich habe den Blick hier aber nie abgewendet, sondern mir das zum
Zeugnis werden lassen. So sind wir wirklich: Staub und Erde, der
ständig nur aus Gottes Gnade und Erbarmen lebt und der nie weiß,
wann Gott das letzte Wort über unser irdisches Leben spricht.
Nun hatten wir in dieser Woche die schrecklichen Ereignisse in
Winnenden. Die Medien haben hierüber ausführlich, fast bis zum
Überdruss, sich ständig wiederholend, in immer neuen „Zusammenfassungen", berichtet. Etwas, was ich befürchtet habe. Wir werden die nächsten Tage und Wochen nicht anderes hören, und wie zu lesen war, wird die Stadt derzeit von einer sensationslüsternen Journaille heimgesucht, was ich als besonders widerwärtig empfinde.
Es finden die üblichen Gesprächsrunden statt und die Politiker geben
ihre üblichen Betroffenheitsbekundungen ab. Es wurde und wird gefragt,
wie das passieren konnte. Psychologen geben kluge Kommentare, ohne
letztlich etwas Genaues zu wissen und Politiker erklären, aus den
früheren Vorfällen gelernt zu haben, es aber keine 100%ige Sicherheit
geben könne usw. Es ist auch wieder eine Stunde für die Besserwisser,
derer, die wissen, wie man es richtig hätte machen und auf die man nur
hätte hören müssen.
Am Abend des 11. März 2009 fand in Winnenden ein Gottesdienst mit
maßgeblichen Repräsentanten der evangelischen als auch der
katholischen Kirche statt. Wie zu hören war, kamen hierzu sehr viele Besucher. Aber wurde den Leuten auch das eigentlich Entscheidende gesagt?
Wie viele waren wohl unter den Gottesdienstbesuchern, die jetzt, nach
Jahren oder gar Jahrzehnten, erstmals wieder eine Kirche betreten haben? Wurde ihnen gesagt, dass solche Taten, wie jetzt wieder in Winnenden geschehen - und das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein - die Folge einer Abkehr von Gott sind?
Der Täter war bei seiner Tat tatsächlich von allen guten Geistern verlassen und seine Tat war eine unmittelbare Auflehnung gegen Gott. Ein Mensch, der in einer festen Verbindung zu Gott bzw. unserem Herrn und Heiland Jesus Christus steht, wäre, solange die Verbindung intakt ist, zu einer solchen Tat, nicht fähig.
An dem Ereignis von Winnenden wird sehr deutlich, zu was der gottferne
Mensch fähig ist und dass es ohne Gott in den Abgrund geht. Hier sprechen die „Fan-Clubs“ eine deutliche Sprache. Man mag es kaum glauben, aber es gibt tatsächlich „Clubs“, die eine Art Heldenverehrung für Amokläufer pflegen.
Aber Vorsicht: Von Natur aus leben wir alle in der Gottesferne. Von daher haben wir dem Täter nichts voraus, sind keinen Deut besser, sondern verdanken es der Gnade Gottes, dass wir bislang davor bewahrt wurden, Täter oder Opfer zu werden. Das ist nicht unser Verdienst. Und das gilt es, sich deutlich zu machen.
Und wenn ich das Foto des Täters betrachte, finde ich, dass er ein netter und sympathischer junger Mann war, einer von uns, was das Rätsel noch größer macht. Seine Tat fällt, so gesehen, auf die gesamte Menschheit zurück, weil sie zeigt, wie wir sind und wie zutreffend das biblische Menschenbild ist, das vom bösen Dichten und Trachten des menschlichen Herzen spricht.
Alle Katastrophen, auch das Ereignis von Winnenden, sind deshalb immer
auch ein Ruf Gottes zur Umkehr! Wurde das den Gottesdienstbesuchern in
dieser Deutlichkeit gesagt?
Hinsichtlich der Leidtragenden fällt mir Hiob ein, der angesichts schwerer Verluste sagen konnte, "der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt", und, "haben wir das Gute von Gott angenommen, sollen wir dann das Unheil nicht auch annehmen?"
Gott ist es, der gibt und nimmt, auch unser Leben, der auch schreckliche Dinge zulassen kann, der uns keine Rechenschaft schuldet und dem wir keine Vorwürfe machen können, sondern bei dem wir immer nur unsere Zuflucht nehmen können und der uns zusagt, uns auch in solchen schlimmen Situationen zu tragen und hindurch zu bringen.
Es gehört Mut dazu, Menschen, die hier von schwerem Leid betroffen wur
den, so etwas zu sagen. Aber es ist der einzige Weg, um Trost und Frieden zu finden.
Auf die Frage "Warum", bekommen wir keine Antwort. Hier stoßen wir uns
blutig. Auf die Frage "Wozu" lässt sich schon eher eine Antwort finden.
Im ersten Augenblick empfand ich Zorn über den Täter, für den die härtesten Strafen noch zu milde scheinen. Im Lichte Gottes sieht das aber anders aus. Auch für den Täter gilt: Es ist dem Menschen bestimmt einmal zu sterben, danach aber das Gericht. Täter und Opfer sind gleichermaßen in Gottes Hand.
Wir können die Sache deshalb getrost Gott überlassen und stattdessen weiter auf unseren Weg achten und Gott bitten, dass er uns bewahrt, unseren schwachen Glauben stärkt und uns an das Ewigkeitsziel bringt, wo es dann keine Nöte, Katastrophen und Amokläufe mehr geben wird.
Wenn mich etwas in Zorn versetzt, dann sind das eher die dümmlich frechen Parolen von Atheistenverbänden, die seit Neustem für ein "glückliches Leben ohne Gott" werben. Wie "glücklich" ein Leben ohne Gott sein kann, haben wir in der ablaufenden Woche hautnah erlebt.
Jörgen Bauer
Amoklauf:
Noch bevor sich der Begriff „Amoklauf“ bei uns einbürgerte, las ich schon vor Jahrzehnten von diesem, im malaysischen Raum vorkommenden Phänomen, wo Menschen, äußerlich ruhig, gelassen und entspannt wirkend, innerlich aber kochende Zeitbomben, ohne Vorwarnung plötzlich, in einer Art psychischen Explosion, losrannten und alles niedermachten, was ihnen entgegenkam. Dazu bedarf es keiner Handfeuerwaffen. Der klassische Amokläufer wütet mit einer Machete. Wer Amok läuft, kann sich jedes beliebigen Mordinstruments bedienen. Sicherungen gibt es praktisch keine.
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